Previous Page  14-15 / 122 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 14-15 / 122 Next Page
Page Background

12

13

EP/01/09

Prognosefindung und Therapieentscheidung nach Schlaganfall - eine Online-Befragung

deutscher Neurologen

A. Rogge

1

, J.M. Valdueza

2

, C. Borzikowsky

3

, A. Buyx

1

1

CAU Kiel, Medizinethik, Kiel, Deutschland,

2

Segeberger Klinik, Neurologie, Bad Segeberg, Deutschland,

3

CAU Kiel, Medizini-

sche Informatik und Statistik, Kiel, Deutschland

Fragestellung:

Gibt es intrinsische Faktoren, die zu Unterschieden in der prognostischen Einschätzung und Therapie-

entscheidung nach ausgedehntem Hirnstamminfarkt führen?

Methodik:

499 im Krankenhaus tätige neurologische Fachärzte wurden mittels einer Online-Befragung gebeten, ihre

prognostische Einschätzung und Therapieempfehlungen zu einer fiktiven Fallvignette abzugeben. Präsentiert wurde

ein typisches MRT an Tag 7 nach stattgehabter Basilarisembolie bei einem 75-jährigen Patienten mit beidseitigen Mit-

telhirninfarkten, A. cerebri posterior-Infarkt re., Thalamusinfarkten li.- betont bds. sowie Ponsinfarkt und Arteria cere-

belli superior -Infarkten bds. bei rekanalisierter A. basilaris. Der Patient hat an Tag 7 nach dem Ereignis das Bewusstsein

noch nicht wiedererlangt. Anhand einer numerischen Likert-Skala wurden die Teilnehmer gebeten,

a) abzuschätzen, wie wahrscheinlich das Wiedererlangen von Bewusstsein und Kommunikationsfähigkeit ist,

b) wie sicher sie sich bei dieser Einschätzung sind und

c) eine Therapieempfehlung zu PEG- und Tracheostoma-Anlage abzugeben.

Ergebnisse:

74 Neurologen (15%) nahmen an der Umfrage teil, von denen 70 Fragebögen ausgewertet werden konn-

ten.

Ein exakter Test nach Fischer ergab, dass sich Neurologen mit Erfahrungen im Rehabilitationsbereich (n=44) signifikant

häufiger für ein Fortsetzen der Therapie mit Anlage von PEG und Tracheostoma aussprachen als Neurologen ohne Er-

fahrungen im Rehabilitationsbereich (n=23) (p=0,04). Die Gruppe der rehabilitationserfahrenen Neurologen schätzte

auch die Prognose des Patienten günstiger ein, ein Unterschied der jedoch nicht das 5 %-Signifikanzniveau erreich-

te. Für die Variablen Alter, Länge der Berufserfahrung und Geschlecht ergaben sich keine signifikanten Unterschiede

(5%-Signifikanzniveau) in der prognostischen Einschätzung und Therapieempfehlung.

Schlussfolgerungen:

In der untersuchten Gruppe nimmt die Erfahrung in der Rehabilitationsmedizin Einfluss auf die

prognostische Einschätzung und Therapieentscheidung nach Schlaganfall. Die Ergebnisse zeigen, dass es jenseits von

scheinbar objektiven Skalen und technischen Untersuchungsbefunden Einflussfaktoren auf Entscheidungen zur Thera-

piebegrenzungen gibt, die im Facharzt selbst begründet liegen. Dies unterstreicht die bekannte Variabilität derartiger

Entscheidungsprozesse und sollte den Entscheidungsträgern bewusst sein. Darüber hinaus legen die Ergebnisse die

Notwendigkeit einer engeren Vernetzung von Akut- und Rehabilitationsbereich nahe.

EP/01/10

Qualitätsindikator (QI)-Visiten: Ernährung von Intensivpatienten

S. Becherer

1

, C. Spies

1

, M. Engel

1

, O. Kumpf

1

1

Klinik für Anästhesiologie m. S. operative Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Corporate Member of Freie

Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin und Berlin Institute of Health, Berlin, Deutschland

Fragestellung:

Qualitätsindikatoren sind wichtige Kennzahlen durch die intensivmedizinische Behandlungsprozesse

evaluiert werden. Idealerweise geschieht dies routinemäßig und automatisiert. Mit dieser retrospektiven Analyse soll

gezeigt werden, inwieweit dies in der täglichen Behandlungsroutine diese Prozesse verändert. Dabei soll das Team

Arzt-Pflege dies gemeinsam im Sinne der Qualitätsverbesserung erreichen.

Methodik:

Durch Datenerhebung aus dem Patientendatenmanagementsystem (PDMS) COPRA® 5 wurden Daten zum

Qualitätsindikator „Enterale Ernährung“ (EE) der 2012 von der DIVI festgelegt wurde (Braun et al. Ger Med Sci. 2013 Jul

16;11:Doc09) erhoben. An festgelegten Tagen wird eine QI-Visite getriggert wenn eine Abweichung von den festgeleg-

ten Zielwerten vorliegt. Dies wird durch eine rote Ampel direkt im PDMS sichtbar gemacht. Hierbei wird durch speziali-

sierte Pflegefachpersonen („Core-Teams“) überprüft wodurch Abweichungen im Behandlungsprozess verursacht sind.

Die Datenerhebung geschieht anhand von Checklisten aus der aktuellen Patientenakte. Die an der Therapie Beteiligten

erhalten nach der Visite ein bettseitiges Feedback.

Ergebnis:

Im Beobachtungszeitraum von 2014 bis 2016 betrug die Zielerreichung in der Routineprüfung des QI ca.

70%. In der Folge wurden zu dem QI 145 Visiten durchgeführt. Hierbei wurden 1245 Patiententage geprüft. Eine frühe

enterale Ernährung fand in 57,9% der Patienten statt (Anordnung in 70,3%). Wenn eine EE angeordnete war erfolgte

die Umsetzung in 86,3% korrekt. Defizite zeigten sich in der Festlegung eines Kalorienziels (in 9% der Fälle) und der

Dokumentation der Kontraindikation (24,1%) für eine EE. Zusätzlich zeigten sich in der Detailauswertung zusätzliche

te retrospektiv auf die QI-Erfüllung hin untersucht. Aus den Erfüllungsgraden des QI wurden Untergruppen gebildet,

deren Outcomeparameter dann evaluiert wurden. Hierbei wurden Letalität, Behandlungsdauer und Beatmungstage

betrachtet.

Ergebnis:

Aus einer Kohorte von 4597 konsekutiven Patienten aus den Jahren 2015 und 2016 wählten wir eine Sub-

gruppe von 1970 zur Analyse aus (Aufenthalt > 24 Std., nur ein Aufenthalt und gültige QI-Daten). Für diese Kohorte

wurden 16301 Tage evaluiert. Der durchschnittliche Erfüllungsgrad des QI betrug 90,0%. Aus der Gesamtkohorte wur-

den 3 Gruppen gebildet mit den Grenzwerten >95% / 90-94% / < 90% (n=585/n=619/n=766). Hierbei zeigten sich Ver-

weildauer (10,0/11,0/12,0 Tage; p=0.001), Beatmungsstunden (16,0/23,0/23,0; p< 0.001 und Sterblichkeit (in Prozent:

2,91/6,62/7,44; p=0.001) statistisch signifikant unterschiedlich.

Schlussfolgerung:

Die kontinuierliche Überwachung des Qualitätsindikators für Analgesie, Sedierung und Delir ist

anhand von Routinedaten möglich. Ein hoher Erfüllungsgrad des Indikators ist möglicherweise mit einem positiven

Patientenoutcome assoziiert.

EP/01/08

Die Versorgung sterbender Patienten in der Notaufnahme

A.T. Wolff

1

, S. Blaschke

1

1

Universitätsmedizin Göttingen, Interdisziplinäre Notaufnahme, Göttingen, Deutschland

Fragestellung:

Zu den Aufgaben der Notfallmedizin gehört auch die Versorgung sterbender Patienten. Allerdings wird

diese Aufgabe kaum eigenständig thematisiert. Palliativ- oder intensivmedizinische Publikationen widmen sich zwar

dem Thema der Patientenbegleitung in der Sterbesituationen, allerdings nicht in Reflexion der Strukturen einer Not-

aufnahme. Zur Klärung der Frage, auf welche Weise sterbende Patienten in den Arbeitsabläufen einer Notaufnahme

versorgt werden, wurde die folgende Analyse durchgeführt.

Methodik:

In einer deskriptiven Stichprobenanalyse wurden Daten der verstorbenen Patienten der Interdisziplinären

Notaufnahme der Universitätsmedizin Göttingen im Jahr 2016 erfasst. Berücksichtigt wurden Patienten, die unter Re-

animation oder in der Sterbephase aufgenommen wurden. Patienten, die nach Aufnahme verlegt wurden und kurze

Zeit später (Station, Operationssaal) verstarben, wurden nicht erfasst. Von 36 Patienten wurden die Arztbriefe der Not-

aufnahme und die Notarztprotokolle ausgewertet;

Ergebnisse:

Von 36 verstorbenen Patienten waren 12 (33,3%) Patienten unter laufender Reanimation aufgenommen

worden. In allen 12 Fällen wurde die Reanimation nach Klärung der Gesamtsituation (Einsicht in Arztbriefe, Einsicht in

Patientenverfügungen, Rücksprache mit Angehörigen und mit Betreuern) qualifiziert beendet. In 6 (16.7%) Fällen wur-

de in der Notaufnahme mit einer Reanimation begonnen. In 14 (38.9%) Fällen wurde von dem Beginn einer Reanima-

tion bei infauster Prognose abgesehen. 17 (47.2%) Patienten waren bei Eintreffen des Rettungsdienstes noch ansprech-

bar. Bei 7 (2.8%) Patienten waren die Angehörigen in der Notaufnahme anwesend und begleiteten die Sterbenden.

Schlussfolgerungen:

- Sterbende Patienten in der Notaufnahme werden in den meisten Fällen selbständig durch das anwesende Team be-

treut.

- Die informelle Durchdringung einer Reanimationssituation gehören zu den wesentlichen Anforderungen in der Not-

aufnahme. Mit dieser Aufarbeitung wird eine qualifizierte Entscheidung über das Beenden einer Reanimation ermög-

licht.

- Fast die Hälfte der verstorbenen Patienten war primär noch ansprechbar. Dies spricht für eine hohe Bedeutung mög-

licher kommunikativer Interaktionen.

- In Anbetracht der ausgewerteten Abläufe scheint das Paradigma einer Begleitung der Sterbesituation nicht ganz zu

entsprechen. Es wird daher vorgeschlagen, für die Notfallversorgung auch das Paradigma einer Begegnung zu disku-

tieren.